Wie erspüre ich meinen Beckenboden?

Beckenmodell
Beckenmodell

«Und jetzt den Beckenboden anspannen» – sicher kennen Sie diese Aufforderung, sei es von der Gynäkologin beim Untersuch, der Fitnessinstruktorin, Rückbildungskursleiterin oder der Physiotherapeutin.

Doch was mache ich da genau? Wie erkenne ich, ob ich wirklich mit dem Beckenboden arbeite? Wie kann ich den Beckenboden wahrnehmen?

10 Tipps, wie die Beckenbodenwahrnehmung gelingt:

1. Anatomie: weiss ich, wo mein Beckenboden ist?

Der Beckenboden liegt um die Körperöffnungen (Harnröhre, Vagina, After) und ist ausgespannt im knöchernen Rahmen, welcher Schambein, die zwei Sitzbeinhöcker und das Steissbein miteinander verbindet. Dieser knöcherne Rahmen lässt sich abtasten. Am einfachsten ohne Kleider und ein Bein etwas erhöht hinstellen (Stuhl, Badewannenrand)

2. Physiologie: wie arbeitet mein Beckenboden?

Der Beckenboden kann sich anspannen (zusammenziehen) und verschliesst dabei die Körperöffnungen bei Druckveränderungen im Bauchraum wie beim Hüpfen, Joggen, Niesen, Husten, Lachen… oder um eine unpassende Entweichung von Wind, Stuhl oder Urin zurückzuhalten. Er muss aber auch loslassen können, damit Urin oder Stuhl ausgeschieden werden kann. Zudem arbeitet der Beckenboden synergistisch mit den Haltemuskeln (quer laufender Bauchmuskel und tiefe Rückenmuskulatur) zusammen und trägt massgeblich zur Stabilität des Rumpfes bei. Wichtig ist dies für eine aktive und stabile Körperhaltung, einen gesunden kraftvollen Rücken und das Gleichgewicht.

3. Eine gute Beckenboden-Wahrnehmung fällt leicht, wenn

zuerst bewusst die Gesichts- und Kiefermuskeln entspannt werden. Dazu ein paar tiefe und lockere Atemzüge in den Bauch bis zum Beckenboden. Egal ob wir dabei sitzen, stehen oder liegen: wichtig zur Wahrnehmung ist eine längs gerichtete Wirbelsäule. Nur ein entspannter Beckenboden lässt sich differenziert wahrnehmen.

4. After wahrnehmen

Kann ich meinen After anspannen und loslassen? Dies kann auch mit wenig Kraft, wie ein Pulsieren wahrgenommen werden. Der Beckenboden verläuft auch um die letzten Zentimeter des Darms herum; kann ich auch diesen verschliessen? Dabei hilft das mentale Bild: ich bin gebläht und halte Wind zurück. Was mache ich da? Wie fühlt sich dies an? Oder kann ich mit dem After imaginäre «Perlen» von der Sitzfläche aufpicken?

5. Frauen: kann ich meine Vagina wahrnehmen?

Wenn ich mir vorstelle, etwas liegt in meiner Vagina drin, kann ich es umschliessen? Gelingt mir dies auch auf verschiedene Weise wie knetend, massierend oder pulsierend? Hilft das mentale Bild einer «Aprikose», die ich vaginal inneliegend habe und diese abtaste, umschliesse oder sogar kreisen lasse? Test: Sich selbst vaginal abtasten: spüre ich das Anspannen und Loslassen vom Beckenboden?

6. Urethra: spüre ich meine Harnröhre?

Kann ich meinen Beckenboden um die Harnröhre herum anspannen und auch wieder loslassen – sei es ganz kurz, wie ein Zwinkern oder richtig zuschnürend? Hilft das mentale Bild vom «Pipi-Stopp»?

7. Erspüren der Sitzbeinhöcker

Dies gelingt am einfachsten auf einem harten Stuhl sitzend. Zwischen den Sitzbeinhöckern liegt der Beckenboden. Kann ich den Beckenboden so anspannen, dass ich das Gefühl bekomme, die Sitzbeinhöcker ziehen zueinander? Dabei die grossen Gesässmuskeln möglichst locker behalten. Hilft die Vorstellung, dass ein Gummiband die Sitzbeinhöcker verbindet und sich dieses immer mehr zusammenzieht? Die Sitzbeinhöcker kommen nicht wirklich zusammen, doch es fühlt sich so an, wenn der Beckenboden die Spannung aufbaut.

8. Alle Öffnungen verschliessen und hineinziehen.

Eine gute Beckenbodenanspannung wird beim stufenweisen Hochziehen erreicht – wie bei einem Lift, der Stockwerk um Stockwerk höher fährt. Wenn sich der Beckenboden nicht noch mehr hineinziehen lässt, dann versuche auch noch die Sitzbeinhöcker zueinander zu ziehen. Das mentale Bild ist: Ich fahre mit meinem Beckenboden in meinen Körper hinein und schliesse das Tor. Mentales Bild für Männer: Ich laufe in einen See und das Wasser ist eiskalt. Diese Vorstellung zieht den Penis in den Körper hinein.

9. Während der Ausatmung wird der Beckenboden aktiviert

Während der Ausatmung wird der Beckenboden aktiviert und in den Körper hineingezogen. Mentales Bild: Ich stelle mir meinen Geburtstagskuchen mit den brennenden Kerzen vor und tue so, als würde ich alle Kerzen ausblasen. Bei einer maximalen Ausatmung nehmen wir nicht nur das Zusammenziehen und Anspannen der Bauchmuskeln wahr, sondern gleichzeitig auch das Hineinziehen vom Beckenboden.

10. Extreme Längsspannung

Im Sitzen oder Stehen die Wirbelsäule so lang wie möglich machen – so gross wie nur möglich werden und dies einige Sekunden lang halten. Dabei kann ich nur noch oberflächlich atmen und es entsteht eine Hypopression (Unterdruck): Wahrnehmen, wie dabei die Bauch- und Beckenbodenmuskulatur anspannt und in Richtung Körperzentrum zieht.

Ich wünsche viel Spass und Neugier beim Wahrnehmen des Beckenbodens und freue mich auf Ihre Fragen oder Anmerkungen.

Hier erfahren Sie, wie Sie den Beckenboden im Krafttraining integrieren.

Die nächsten Beckenbodenkurse für Frauen finden Sie hier.

Yvonne Keller, Beckenboden-Recovery, yvonne.keller@rueckencenter.com

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